Einmal um den Bodensee

Der Bodensee

Bevor ich näher auf die Tour eingehe, gebe ich dir eine kurze Übersicht über die geografische Situation. Der Bodensee (externe Seite - Wikipedia) besteht aus drei Wasserkörpern: Dem großen Obersee und der kleinere Untersee im Westen mit der Insel Reichenau (externe Seite: Wikipedia) - wo ich wohne. Diese beiden Teile sind verbunden durch den Seerhein.
3 Länder grenzen an den Obersee: Die Schweiz im Süsen, Österreich im Südosten und Deutschland im Norden.

Satelitenbild vom Bodensee
Satellitenbild vom Bodensee (Quelle: Wikipedia.org)

Wie geht man die Oberseerunde an?

Ich fuhr schon ein paarmal um den Untersee, was für mich von Haustür zu Haustür etwa 80km innerhalb von 3,5h sind. Mit dieser Leistung im Hinterkopf schätzte ich, dass ich aus der Oberseerunde eine Zweitagestour mit Übernachtung in Bregenz oder LIndau machen könnte, da die Oberseerunde etwa 180km lang ist.
Im Oktober 2020 entschied ich mich einfach drauf loszufahren und zu sehe wie weit ich komme. Dabei hatte ich ganz klar im Hinterkopf entweder mit der Fähre oder mit der Bahn noch am gleich Tag zurückzukehren. Ich schwang mich aufs Rad und fuhr knapp 2/3 um den Obersee und nahm von dort aus die Fähre zurück nach Konstanz. Ich wollte an diesem Tag keine einzige weitere Kurbeldrehung mehr machen.

Diese Jahr pendelte ich fleißig zur Arbeit und hatte so täglich ca 50km Training. Ich fühlte mich stark genug für die volle Distanz um den Obersee und bei gutem Wetter schwang ich mich in den Sattel und strampelte los. Naja, erstmal war Tourplanung und -vorbereitung angesagt.

Tourplanung

Die Planung war einfach genug, der Bodensee Radweg eine etablierte und gut markierte Route um den See ist. Ich geniererte mir trotzdem eine GPS route auf Mapy.cz - großartiges detaillreiches und interkatives Kartenmaterial - und lud dies auf mein Garmin GPS. Leider kann Garmin nicht einfach erstellte Routen importieren - das wäre ja viel zu einfach. Nein, Garmin berechnet die Route komplett neu basierend auf einem auszuwählenden Radprofil. Das fand ich allerdings erst heraus, als ich losfuhr und mich dieses Geräte auf die B33 lotsen wollte.
Kein großes Problem, die Tour ist ja augeschildert, also Augen auf und den Wegweisern folgen.

Vorbereitungen

Essenstechnisch packte ich ein paar Riegel, eine Tüte Gummibäärchen, eine Tüte gerösteter Erdnüsse und mit Erdnussbutter bestrichene Waffeln ein.

An Wasser hatte ich eine 1 Literflasche mit isotonischen mix am Rad und eine Faltflasche mit 1L reinem Wasser in der Rahmentasche. Rückblickend kann ich sagen, dass es entlang der Route zahlreiche Frischwasserquellen gibt, an denen man kostenlos seine Vorräte auffüllen kann.

Am Vortag checkte ich das Rad nochmal durch, reinigte und ölte die Kette und erhöhte den Reifendruck der Continental Race Kings mit 29x2,2" auf 3bar. Trotz tubeless packe ich einen Ersatzschlauch ein, ein paar Werkzeuge, eine Ersatzschaltauge und ein Kettenschloss. Dann befestigte ich noch eine feed pouch (eine zweckentfremdete Chalkbag vom Klettern) am Lenker und packte da mein Essen rein. Über Nacht noch das GPS ans Ladegerät und es konnte losgehen.

Durch die Schweiz

Ich fuhr ziemlich genau um 9Uhr auf der Insel Reichenau los. Auf der Dammstraße konnte man riechen, dass es die letzten Tage geregnet hat. Das Wasser riecht frischer und auch der Pegel war etwas erhöht.

In Konstanz war schon einiges los, aber ich kam trotzdem zügig in die Schweiz und von da aus waren es nur wenige Kilometer in die Felder.

meadow with 20 swans
Wiese mit über 20 Schwänen

Der Radweg verläuft über weite Strecken ufernah, aber auch teilweise südlich der Bahnlinie. Die Route ist gesäumt mit Wiesen und Obsthainen und es war eine angenehme ruhige Fahrt.
Letztes Mal war ich eingangs etwas zu schnell unterwegs, so dass ich diesmal eine normalisierte Leistung von 140W anstrebte. Das war meist sehr einfach zu halten, das es kaum Höhenunterschiede gibt und bestenfalls der Wind Einfluss nimmt.

view across lake constance from the southern shore
Blick über den Obersee vom schweizer Ufer aus

Das Wetter war perfekt: sonnig, nicht zu warm und eine kühle Briese. Ich muss gestehen, dass mich der Blick über den See etwas überwältigte in Anbetracht der Tatsache, dass ich in ein paar Stunden in die umgekehrte Richtung über den See blicken könnte.

Außer mir waren noch ein paar Radfahrer in die gleiche Richtung unterwegs. Eine Zweiergruppe war etwas schneller als ich und hin und wieder holte ich sie an einer Ampel oder Bahnübergang ein. Es war sehr hilfreich sie vor mir zu haben, da ich ihnen ganz einfach folgen konnte und sie mir den Weg zeigten.

Ich kam an ein paar historischen Stadtkernen mit Fachwerkhäusern und Stadtmauern vorbei. In Uttwil gab es eine kleine Umleitung wegen eines Festivals am Seeufer and bei Rohrschach (das ist kein Test) gab es Straßenarbeiten. Da hatten Sie meine ich auch schon letztes Jahr gearbeitet. Die Kilometer flogen vorbei und dann war da plötzlich eine kleine Holzbrücke über einen kleinen Bach an deren anderen Ende Grenzmarkierungen nach Österreich standen.

border sign, welcome to Austria
Willkommen in Österreich

Durch Österreich

Der Abschnitt durch Österreich führte mich hauptsächlich durch die Felder und über die Deiche des Alpenrhein Deltas. Ein Storch flog so langsam und tief über mich hinweg, dass ich einen guten Blick auf ihn bekam. Ich finde es sehr faszinieren, wie viele Großvögel im Bodenseebereich gibt.

Es ging im Schatten zwischen Bäumen hindurch, ein bißchen über Schotter, hier mal links, da mal rechts und dann war ich auch schon an der Seebühne in Bregenz (externe Seite: Wikipedia). Es wird Giacomo Puccinis 'Madame Butterfly' aufgeführt. Zur Info: Die Seebühne ist die größte open-air Bühne der Welt.

view on the Seebühne in Bregenz
Blick auf die Seebühne in Bregenz

Zurück nach Schland

Von Bregenz aus wars waren es gefühlt nur ein paar Kurbelumdrehungen an der Uferpromenade entlang nach Lindau. Einen Grenzübergang habe ich nicht bemerkt, wohl aber eine allgemeine Zunahme an Radverkehr und vor allem Asphalt und Beton. Das war im Vergleich zur bisherigen Route ein krasser Kontrast. Vielleicht trug da auch die Sonneneinstahlung am Südhang bei. ich war jedenfalls selbst über die leicht staubigen Feldwege entlang der Schrebergärten froh.
Wenn man dem Bodenseeradweg durch die Schweiz und Österreich folgt, stellt man fest, dass die Markierung in Deutschland doch etwas spärlicher und sparsamer ausfällt. Ja, es gibt zahlreiche Wegweiser für Radwege. In den anderen Ländern gab es zudem halt Wandermarken die den Bodenseeradweg markierten an jedem passenden Wegweiser.

Das mag mit einer der Gründe für meine unfreiwillige Abweichung von der Strecke sein und die Tatsache, das das Garmin mich mal wieder auf die Bundesstraße lotsen wollte. Nachdem ich mich durch eine volle Fußgängerzone gekämpft hatte (ja ich habe brav geschoben) fand ich einen Wegweiser und folgte diesem.... bergauf für 130 Höhenmeter. Immerhin fand ich einen der zahlreichen Trinkwasserbrunnen und füllte meine Flaschen auf. Da das GPS und die Wegweiser mich weg von der Route leiten, ignorierte ich beide und konsultierte mein Smartphone.

Zu dieser Zeit spürte ich die Erschöpfung in meine Beine kriechen und ich hatte noch gut 60km vor mir. Den letzten Abschnitt wollte ich diesmal unbedingt auch noch schaffen. Die Gummibäärchen waren eine große Hilfe. Sie gaben mir einen schnellen Boost für die nächsten Kilometer. Dazu aß ich noch die Hälfte meiner Waffel für etwas langanhaltendere Energie und spülte alles mit großen Schlucken frischen Wassers runter. Das brachte meine Beine zurück.

A Zepplin flying overhead
Ein Zeppelin dreht seine Runde

Ab Immenstaad wurden die Hügel nördlich des Sees steiler und höher und wandelten sich in Weinberg. Das hat ebenfalls zur Folge, dass der Radweg schmaler wurde und es half auch nicht, dass das Grünzeug unter der Leitplanke zur Bundesstraße gut ein Viertel des Radwegs überwucherte.

view across Lake Constance from the northern shore
Blick über den See vom Nordufer

Um das Pfahlbaumuseum Unteruhldingen (externe Seite: Wikipedia) war viel los und ich bog (mal wieder) auf den falschen Weg. Glücklicherweise fand ich eines der dünngesääten Schilder des Bodensee Radweges und folgte diesem in Richtung Meersburg - da kam ich gerade her. Sobald mir das klar war, drehte ich um und folgte dem Schild diesmal in die andere Richtung. Trotzdem schaffte ich es irgendwie wieder an dem selben Punkt zu laden wie zuvor. Der Bodensee Radweg weicht hier vom Ufer ab und da das Garmin nach wie vor keine Hilfe war, zog ich wieder mein Smartphone. Damit schaffte ich es dann noch Überlingen zu gelangen. Die letzte Chance mit einer Fähre abzukürzen.

Das letzte Stück

Durch meine Umwege wiech die Streckenmessung ab. Als ich die Route ins Garmin importierte wurde die Gesamtstrecke mit 185km angegeben. Ein Teil des Rückwegs folgt meinem Weg zur Arbeit, was 25km sind. Nur wenn ich nach vorne blickte, war davon noch nichts zu sehen und lt. GPS hatte ich bereits 160km abgespult.

Ich aß nochmal eine Handvoll Gummibäärchen, ließ die Fähre fahren und kurbelte fleißig weiter. Kurz nach dieser Stelle sah ich ein Schild, das die Entfernung nach Konstanz mit 46km angab. Das hieß für mich ca. 40km um nach Hause zu gelangen.

Der Radverkehr hatte seit Immenstaad deutlich abgenommen. Es gabe ein paar hot spots um Seebäder. Von Überlingen gabe es nur noch zwei Richtungen, Da wo ich her kam und dort wo ich hin wollte. Das half mir sehr, mich rein aufs pedallieren zu konzentrieren. Nach Überlingen wandelten sich die Weinberge zu Obstplantagen und die Gegende wurde wieder flacher.

Letzlich kam ich an meiner Arbeitsstelle vorbei, quälte mich den letzten großen Anstieg hoch und rollte auf der anderen Seite zum Ufer des Untersees. Noch 20km.

Zurück auf der Dammstraße zur Insel hätte ich beinahe noch einen Schwan überfahren, der unbedingt vor meinem Rad mit leicht gespreizten Flügeln und stolzer Brust über den Weg watscheln musste.

Vor meiner Haustür angekommen zeigte das GPS 199,3km. Ich überlegte kurz ob ich die 200km noch vollmachen sollte, entschied mich dann aber doch dagegen. Das war die längste Distanz die ich bisher an einem Stück und innerhalb von 9h 40min Gesamtzeit und davon 9h 11min im Sattel erfahren hatte. Also speicherte ich die Tour, fischte meine Schlüssel aus der Tasche und ging rein. Da wartete noch ein Rest Shepards Pie vom Vortag auf micht.

Rückblick

Rückblickend hätte ich nicht so viel Essen benögit. Die Erdnüsse waren immer noch zu und ich hatte auch nur einen halben Riegel gegessen. Die Waffeln mit Erdnussbutter waren lecker, leicht zu verdauen und lieferten die nötige Energie. Ohne die Gummibäärchen hätte es die Tour wohl nicht geschafft.
Vor dem Tourstart hatte ich eine große Schüssel Müsli gefrühstückt. Das ist für mich ein bewährtes Futtermitteln vor langen Tagen im Sattel.

Ich schaffte es mein Leistungsziel mit 142W NP über die gesamte Tour gut zu halten. Durch die Schweiz war ich leicht unter den angepeilten 140W und zum Ende der Tour dafür leicht darüber, als die Gummibäären den Turbo zündeten. Alles in allem war das eine gute Pace und das hat mich über die Distanz gebracht. Beim nächsten Mal werde ich trotzdem versuchen ein paar Watt draufzupacken. Mit weniger Umwegen sollte ich schneller und hoffentlich näher an den geplanten 185km dran sein.

Ansonten würde ich nichts ändern. Abgesehen von der Routenplanung am Garmin. Da werde ich wohl zukünftig darauf achten, dass mich das Teil nicht wieder auf Fernstraßen lotst.
Ich hatte keine Pannen, das Wetter war perfekt, nicht zu heiß. Soweit (1 Tag später) kein Muskelkater. Ich fühle die Erschöpfung in den Beinen, vor allem beim Treppensteigen, aber das ist auch alles.

Obwohl das letzte Segment eher Typ 2 Spaß war, habe ich die Tour doch sehr genossen. Es gab viel Abwechslung in Ländern, Landschaften, Aussichten, Sehenwürdigkeiten, Wegen und Eindrücken, nur der See war immer gleich.

de_DEDE