Schaltaugen - wozu sind sie da?

Thema heute sind Schaltaugen. Was ist das, wozu sind sie gut und allgemeine Probleme damit.

Schaltaugen findet man gewöhnlich an Rahmen aus Aluminium oder Carbon. Sie sind normalerweise aus einem weicheren Material als der Rahmen und sie stellen die Schnittstelle von Rahmen und Schaltwerk dar. Die Achse des Hinterrads wird entweder direkt in ihnen verschraubt oder durchgesteckt. "Auge" heißt es wohl wegen der Gewindebohrung für den Schaltwerkbolzen und der darunter liegenden Finne, was mit etwas Phantasie wie ein Auge aussieht.

Die Idee dahinter ist, dass es eine günstige austauschbare Sollbruchstelle darstellt, die sowohl Schaltwerk als auch Rahmen vor permanentem Schaden schützen soll. An sich keine schlechte Idee. Allerdings hapert es etwas an der Umsetzung.

  1. Verständlicher Weise kann es einen gewissen Unterschied zwischen Schaltaugen für Schnellspanner und Steckachsen geben. Da die Position des Schaltwerks zur Achse bei allen Schaltungen gleich sein sollte, könnte man erwarten, dass zwei Varianten ausreichen sollten.
    Da ist aber nicht der Fall. Aus irgendeinem Grund sehen keine zwei Schaltaugen für verschiedene Räder gleich aus. Ihre Form ist speziell auf das Rahmendesign einer Marke zugeschnitten und variiert teilweise selbst innerhalb der verschiendenen Rahmen der Marke.
    Im Falle eine Falles sorgt diese Vielfalt wie zu erwarten für einige Probleme.
    Es gab zwar Bemühungen von verschiedenen Marken eine Universallösung zu etablieren ... aber wie das so ist, wenn man eine eigene Lösung anderen überstülpen will, verlief die Sache jedesmal im Sand.
ein unvollständige Übersicht der Vielfalt an Schaltaugen
  1. Ein Universalschaltauge ist schwierig zu etablieren, da es unterschiedliche Formen der der Achsaufnahme, Rahmenmaterialien und Sicherheitsanforderungen bei verschiedenen Herstellern gibt.
    Die Herstellung von Schaltaugen reicht vom Ausstanzen der Seepferdchenform aus einer weichen Aluminiumlegierung zur Fräskunstwerken die auf Präzisionsmaschinen in allen möglichen Dimensionen bearbeitet wurden.
    Ich habe erlebt, wie ein Schaltauge abgerissen ist, als ein Mechaniker das Schaltwerk etwas nach hinten drehte um das Hinterrad zu entfernen und es gibt auch Schaltaugen, die wahrscheinlich die totale Zerstörung des Rahmens ohne einen Kratzer überstehen. Die Befestigung des Schaltauges am Rahmen ist auch sehr verschiedenen. Manche dienen direkt als Aufnahme für die Steckachse und ziehen sich damit am Rahmen fest, andere haben mehrere kleine Schräubchen, die gerne mal ausreißen und wiederum solche, die mit einem Bolzen am Rahmen befestigt sind, der die eigentliche Sollbruchstelle darstellt.
  2. Manche Schaltaugen sind auch im Weg, wenn das Hinterrad ein- oder ausgebaut werden soll. In solch einem Fall empfiehlt der Hersteller erst das Rad einzubauen und dann die Befestigungsschrauben des Schaltauges anziehen oder umgekehrt für den Ausbau.
  3. Schaltwerke sind starr mit dem Schaltauge verbunden bzw. stützen sie sich mit der sogenannten B-screw an der kleinen Nase ab und können ansonsten nach hinten oben rotieren. Durch diese Ausweichen wird zwar die Wahrscheinlichkeit eines Bruchs des Schaltauges reduziert, aber wenn eine Kraft ungünstig seitlich wirkt, bricht das Schaltauge designgemäß. Jetzt stell dir mal vor was passiert, wenn das lose baumelnde Schaltwerk im "gestreckten Galopp" von den Hinterradspeichen aufgesammelt wird.
  4. Mit dem Aufkommen von 12fach Kassetten, sind die Abstände zwischen den Ritzeln nochmals enger geworden. Die Ketten wurden dadurch schmaler gemacht, dass man die Materialstärke der Außenlaschen reduzierte, da die Zähne an Ritzeln und Kettenblättern schon eine kritische Mindeststärke erreicht haben.
    Durch diese engeren Abstände wirken sich kleine Abweichungen in der Ausrichtung zueinander, z. B aufgrund eines verbogenden Schaltauges, deutlicher auf die Schaltqualität aus.

Schaltaugen kauft man nicht wenn man sie braucht,
sondern für den Zeitpunkt an dem man einen Ersatz benötigt.

unbekannter Velosoph

Also wenn ich Schaltprobleme wegen eines verbogenen Schaltauges habe, kann ich das dann einfach durch den Austausch gegen ein neues Schaltauge beheben?
Nun, vielleicht. Das Problem ist, selbst wenn das neue Schaltauge schnur gerade ist und das Schaltwerk ebenfalls nicht verbogen ist, heißt das noch immer nicht, dass beide zusammen auch zur Kassette fluchten. Da spielen eine Handvoll weiterer Faktoren rein, die Ursache für eine Abweichung sein könnten:
verzogene Ketten- und Sitzstreben, verbogenen Achse, Schmutz, verbogende Ritzel, Spiel in der Hinterbaulagerung, ...

Aus diesem Grund sollte man als guter Radmechaniker die Ausrichtung eines neuen Schaltauges gegenüber dem Hinterrad prüfen, bevor man anfängt die Schaltung einzustellen, vor allem wenn das Schaltwerk offensichtlichen Feindkontakt hatte.

Eine gute Quelle um Ersatzschaltaugen zu kaufen - wenn dein Händler keine für dein Rad hat - ist Schaltauge.de (externe Seite) oder schaltaugen.info (externe Seite)

Trotz all der möglichen Problem dieses System ist die Kettenschaltung noch immer das effizienteste System auf dem Markt. Vielleicht gibt es nochmal eine Verbreiterung der Hinterradachse oder jemand erfindet eine bessere Nutzung des Raums zwischen Nabenflansch und Kettenstrebe. Vielleicht gibt es eine Renaissance der 2x Schaltungen mit Nabenschaltung oder in die Kurbel integrierte Schaltung. Ich denke der Platz in der Kassette ist weitestgehen ausgereizt und zudem deckt 1x12 alle meine Einsatzwecke voll ab.

de_DEDE